War Matta nun Architekt, Maler, Bildhauer, Designer, Dichter? Wahrscheinlich all dies und noch viel mehr. Er war nicht nur ein Schöpfer von Werken, Worten und Sprache, er war ein Genie: kultiviert, gebildet, verführerisch, von einer herausragenden Intelligenz, wie seine Schriften zeigen, die eines Tages gesammelt, studiert und veröffentlicht werden sollten. Sein ganzes Leben lang präsentierte er sich als Architekt, auch wenn er als Maler berühmt wurde. Er reiste 1935 nach Europa, kurz nach Abschluss seines Studiums an der traditionellen Katholischen Universität von Santiago. Matta stammte aus einer wohlhabenden Familie, hatte aber aufgrund der Armut, die er in Chile beobachtete, ein starkes soziales Gewissen. Er wollte den sozialen Wohnungsbau entwickeln und reiste deshalb 1936 in die Sowjetunion, wie er in seinen Briefen an einen seiner damals besten Freunde, den Architekten Luis Mitrovic1 erzählt.

Matta kam zunächst in Madrid an, begierig darauf, Menschen zu begegnen, zu lernen, zu reisen, zu lieben und zu entdecken. Er freundete sich mit Federico Garcia Lorca an und reiste nach Portugal, um die Literaturnobelpreisträgerin Gabriela Mistral zu besuchen, die Konsulin von Chile in Lissabon war. Er unterzeichnete einen Arbeitsvertrag und reiste nach Äthiopien, um Soldaten des abessinischen Reiches den Umgang mit dem Gewehr zu lehren. Dabei lernte er die Irrationalität des Krieges2 kennen und vor allem Afrika, einen Kontinent, für den er sein ganzes Leben lang eine große Leidenschaft hegte.

Kurz vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs verließ er Madrid in Richtung Paris. Mit wenig Geld in der Tasche, einem Brief an Salvador Dalí, den ihm García Lorca übergeben hatte, und dem Auftrag, Pablo Picasso, der damals an der Guernica3 arbeitete, zu besuchen. Obwohl Matta aus einem abgelegenen Land am Ende der Welt namens Chile kam, gelang es ihm, sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit in die Avantgarde der 1930er Jahre einzufügen und als Surrealist identifiziert zu werden. Auch wenn er, wie er stets betonte, damals nicht einmal die Bedeutung des Wortes kannte. Doch ist die Geschichte bekannt. 1924 von André Breton ins Leben gerufen, brachte diese Bewegung eine in Paris lebende französische und ausländische künstlerische und intellektuelle Elite zusammen, die immer noch entsetzt über die Folgen des Ersten Weltkriegs war.

Matta begann eine Freundschaft mit Dalí, dem er sich als Architekt präsentierte. Doch ließ er die Gelegenheit nicht ungenutzt, ihm einige Zeichnungen zu zeigen. Dalí schickte ihn zu André Breton, der die kleine Galerie „Gradiva“ in der Rue du Seine hatte: „Ich wusste nicht einmal, dass es den Surrealismus gibt, und man sagte mir, dass ich Surrealist sei.“ Breton kaufte ihm einige seiner Werke ab und brachte ihn auch mit dem Studio des Architekten Le Corbusier in Kontakt, der ihn einlud, mit ihm zusammenzuarbeiten. Matta begann zu malen und betrat die Pariser Welt mit sowohl freundschaftlichen als auch konflikthaften Beziehungen zu mehreren ihrer Mitglieder.

Angefangen bei Breton, der ihn 1948 aus der Bewegung ausschloss, da er beschuldigt wurde, die Verantwortung für den Selbstmord von Arshile Gorky zu tragen, weil dessen Frau Maguche eine Beziehung zu Matta gehabt hatte. Als man versuchte, ihn wieder einzubeziehen, lehnte er dies ab, obwohl einige Biografien darauf hindeuten, dass er es doch tat. Als Maler hatte er bereits seinen künstlerischen Höhenflug begonnen.

Seine breite Kultur und die tiefe Freundschaft, die er mit Marcel Duchamp entwickelte, eröffneten ihm neue Wege, und seine Arbeit erfuhr derartige Anerkennung, dass Duchamp feststellte, Matta sei von allen Malern seiner Generation „der tiefste". Aufgrund seiner formalen Ausbildung in Chile, seiner sozialen Herkunft und seiner persönlichen Motivation war Matta äußerst kultiviert. Bei seiner Ankunft in Europa sprach er fließend Französisch und Englisch, zusätzlich zu Spanisch und später Italienisch - das Land, in dem er einen Großteil seines Lebens verbrachte. All dies sollte sich später als sehr nützlich für ihn erweisen, spätestens als er sich im April 1941 zusammen mit seinen Freunden Max Ernst, André Breton, Man Ray und Ives Tanguy von Marseille aus nach New York einschiffte.

Sein Gedicht Der Tag ist ein Attentat wurde 1942 in französischer Sprache verfasst, und Matta malte darüber auch ein Bild - das zur Sammlung des Museo de Bellas Artes de Chile gehört -, nachdem er ein Europa im Krieg und ein von Nazideutschland besetztes Frankreich verlassen hatte. Es ist eine tiefgründige Reflexion über das Leben in einer Zeit, in der bereits das Betreten der Straße oder das Zuhausesein die Gefahr beinhaltete, bombardiert, beschossen oder von der Gestapo verhaftet zu werden. Bei der erneuten Lektüre im Jahr 2020 habe ich das Gedicht mit der Pest in Verbindung gebracht, die heute den Planeten heimsucht und die uns als Geiseln in Angst und Schrecken in unseren Häusern versteckt hält. Matta sagt in einem Vers seines Gedichts:

Wenn man die Zeit messen will, ist das eigentliche Maß der Tag – nicht der 24-Stunden-Tag, sondern der Tag als Attentat, als Bedrohung, als Risiko.

Und natürlich hat er Recht. In normalen Zeiten besteht jeden Tag die Gefahr des Sterbens. Wir wissen nicht, was mit uns geschehen wird. In Kriegszeiten erst recht. Heute kommt noch die Pest hinzu, dank der wir einem unsichtbaren Feind ausgesetzt sind: einem Virus, dem Covid-19.

Matta blieb in den Vereinigten Staaten, wo er freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern wie Gorky, Rothko, Motherwell, Pollok und mehreren anderen entwickelte, die sich wöchentlich in seinem Atelier oder in der Galerie von Peggy Guggenheim trafen. Sie sind bekannt als die Schule des „abstrakten Expressionismus“ und wurden stark von diesem chilenischen Künstler beeinflusst, der ihnen sagte, sie sollten4 „die Zeit visualisieren“. Er hat dieser Kunstströmung weder viel Bedeutung beigemessen, noch fand er großen Wert in ihr, auch später nicht in Warhols Werk, das er als „nichts, nur gerissene Werbung“5 betrachtete.

Matta kehrte nach Europa zurück, und ab den 1950er Jahren ließ er sich hauptsächlich in Italien nieder, einem Land, das er als sein eigenes betrachtete, zunächst in Rom und dann in Tarquinia, einer etruskischen Stadt, wo er Freundschaften entwickelte, die sich an ihn mit Bewunderung und Zuneigung erinnern. Er verstarb im Jahr 2002 und wurde wie ein Etrusker im Souterrain seines Ateliers begraben, wo er heute neben Germana ruht, die für mehr als 30 Jahre seine letzte Frau war. Es gibt viel, aber wirklich viel zu wissen, zu lernen und zu entziffern aus den Botschaften in den Bildern und Schriften dieses Genies, das stark vom Denken Freuds, Einsteins und den ihn faszinierenden wissenschaftlichen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts geprägt wurde. Matta tauchte tief ins Unbewusste ein, auf der ständigen Suche nach den Abgründen des menschlichen Denkens und versuchte, dies auf seinen großen Ölbildern festzuhalten.

Fußnoten

1 Mattas Briefe. Cartas de Roberto Matta a Luis Mitrovic. Editorial Eco. Santiago: 2003.
2 Ibid.
3 Servadio, Gaia. Incontri. Abramo editori. Milano: 1993, S. 142.
4 Sawin, Martica. Ibid, S.169.
5 Servadio, ibid, S. 147.