In meinen Gemälden ist vorhanden der Abwesende (der Mensch)
und ist sichtbar das Unsichtbare (die Gefühle).
Die abstrakte Kunst ist die Suche nach dem Absoluten.

Auch wenn es für den Menschen als solchen unerreichbar ist.
Abstrakte Kunst für diejenigen, die sie schaffen,
ist also eine Hoffnung, aber vor allem ein Glaube.

Gemacht aus Hingabe, Leidenschaft, Qualen,
Glück und Leiden.

Ich glaube.
An abstrakte Kunst und ihre Farben.

(Gard)

Ferruccio Gard, alten französisch-provenzalischen Ursprungs und venezianischer Adoption, gilt als einer der einflussreichsten und bedeutendsten Künstler programmierter, kinetischer und optischer Kunst, die er seit 1969 als einer der ersten in Italien praktiziert.

Er hat über 170 Einzelausstellungen in der ganzen Welt veranstaltet und war Gegenstand von Katalogpräsentationen berühmter Kritiker wie Achille Bonito Oliva und Pierre Restany. Mit seiner Op-Art hat Gard verschiedene Auszeichnungen erhalten, und seine Gemälde sind Teil wichtiger öffentlicher und privater Sammlungen.

Form, Wahrnehmung und Farbe sind in seinen Werken in einer fast überwältigenden Harmonie miteinander verflochten. Die Ausdruckskraft der Farben versetzt uns in die Lage, starke Emotionen zu fühlen.

Genau die Farbe spielt die Rolle des Protagonisten sowohl in seinen geometrischen Gemälden als auch auf den nachfolgenden Leinwänden, auf denen Gard sie buchstäblich explodieren lässt.

Seine Welt ist imaginär, fantastisch, abstrakt, aber gleichzeitig beabsichtigt, nachdenklich, begehrt. Sie besteht aus Linien, die in der Fülle des Lichts zu finden sind, der Farbe als „empfindsamer Faktor der psychischen Wahrnehmung“, wie Pierre Restany betonte, einer Explosion von Lichtpartikeln, die in das Feld der Oberfläche eindringen…

Seine Bilder, aber auch die jüngsten bilateralen Plexiglas-Skulpturen, lassen der Fluktuation, der Bewegung der Farbe in der Form und umgekehrt, aber im Kontext und im Geist der Strenge, die durch mathematische Berechnungen vorgegeben sind, freien Lauf. Tatsächlich handelt es sich um kinetische Kunst, also um kontinuierliche Schwingungen, die den Betrachter einbeziehen und ihn in die fantastische Welt versetzen können, die wir zuvor erwähnt haben.

Die harmonische Konstellation fließender Elemente in der raffinierten Stille verschiedener geometrischer Formen ermöglicht es, sich ein fast räumliches Universum vorzustellen.

Und das Licht überträgt einen kontinuierlichen Energiefluss, das Leben, das, wenn wir wollen, mit einem gewissen Zynismus auf pragmatische, fast psychische Weise in sich zusammenbricht und in fernen, immer abstrakten Hemisphären schwebt.

Wir sind enorm fasziniert von dieser Welt der geometrischen abstrakten Kunst in der Bewegung, der chromatischen Entwicklung, der Momentaufnahme und gleichzeitig der schwer fassbaren, aber rationalen visuellen Wahrnehmung. All diese Elemente sind schon immer typisch für Gards Kunst gewesen, aber das, was uns am meisten rührt und begeistert, ist die einzigartige Art und Weise, wie der Meister uns dazu bringt, sie zu entdecken und zu lieben.

Ihre künstlerische Karriere begann mit dem Malen weiblicher Akte während Ihrer Studienzeit. Und was ist dann geschehen?

Ich malte Akte in einem fast fluoreszierenden Blau auf einem überwiegend burgunderfarbenen Hintergrund. Der Kontrast war auffallend, die Bilder fanden großen Anklang. Aber eines Abends, wandte ich mich plötzlich davon ab. Mit vollem Respekt sage ich, dass ich mich mehr wie ein Handwerker, der immer die gleichen Dinge tut, als wie ein Künstler fühlte.

In meinem Inneren gewann die manische Liebe, die ich zur Präzision, zur Geometrie und zur Mathematik hatte, die Oberhand. Ich liebte die Dreiecke, das Runde, die Rechtecke. Ich glaubte, dass die Geometrie die Perfektion darstellte. In meinem DNA gab - und gibt es noch - auch die Geschwindigkeit. Es ist kein Zufall, dass ich als Junge einige Radrennen gewonnen hatte. Und ich war beeindruckt von den Gemälden der Futuristen, Balla in primis, wo alles eine Hymne an die Geschwindigkeit war. Von der Geschwindigkeit nahm ich Bewegung an und erzeugte Effekte der visuellen Wahrnehmung zwischen geometrischen Figuren und chromatischer Forschung. Eine enorme Anstrengung im Vergleich zu einem Akt, aber mit dem ersten kinetischen Gemälde verstand ich fast mit Herzklopfen, dass jener mein wahrer künstlerischer Weg gewesen wäre.

Warum haben Sie Ihr ganzes Leben lang ausgerechnet der kinetischen Kunst als Ihrer künstlerischen Ausdrucksform gewidmet?

Weil ich weiterhin die Leidenschaft für geometrische Formen, mathematische Berechnungen sowie die Kombinationen und Kontraste zwischen den Farben, die, wie Sie gesagt haben, der eigentliche Kern meiner Malerei sind, in mir vibrieren fühle.

Wissen Sie, welches eines der besten Komplimente war, das ich in einem halben Jahrhundert Malerei erhalten habe? In den 80er Jahren bei der Einweihung einer Ausstellung in Rom blieb einer der bekanntesten italienischen Galeristen vor meinen Gemälden stehen. Ernst und nachdenklich betrachtete er sie lange. Dann rief er mich und sagte zu mir: „Sie verwenden sehr kräftige Farben!”. Er war der Galerist von Meistern wie De Chirico, Guttuso, Schifano.

Ich war glücklich damit. Ich habe immer versucht, die Farben auf nicht akademische und nicht traditionelle Weise zu kombinieren. Jenes Urteil bestätigte mir, dass ich auf dem richtigen Weg war. Meine Liebe zur Farbe ist so groß, dass sie mich zur … Untreue veranlasst. Obwohl ich die Op-Art fortsetzte, habe ich geometrische und dann abstrakt-informelle Perioden gehabt. Seit 2000 mache ich auch abstrakte fleckige Gemälde, die leider von vielen Künstlern kopiert wurden, und zwar nicht nur in Italien. Das Leitmotiv ist die Farbe: Die Farbenfreudigkeit ist immer die gleiche; es sind nicht zwei verschiedene Künstler. In beiden Genres gibt es meinen Spachtel und meinen Pinsel.

Sie neigen dazu, die Farbe gegenüber den statischen geometrischen Formen überwiegen zu lassen. Warum?

Weil mit den chromatischen Entscheidungen und den Schnittpunkten und Verflechtungen zwischen den Figuren die Geometrien auf den zweiten Blick zu vibrieren scheinen. Es ist eindeutig ein optischer Effekt. Aber wenn jemand sich ein wenig nach rechts und dann nach links bewegt und währenddessen seinen Blick auf eines meiner Bilder fest richtet, scheint sich auch das Bild zu bewegen.

Inspirationsquellen?

Geometrie, Mathematik und Naturwissenschaften, die im Dienst der Kunst stehen. Und die Bewegung, welche die große Botschaft der Optical Art ist. Zusammen mit der Leidenschaft für Spiele und optische Illusionen. Meine zweite Biennale Arti Visive von Venedig im Jahre 1986 trug den Titel „Kunst und Wissenschaft“. Und ein großes kinetisches Bild von mir wurde in der „Historischen Abteilung: Die Farbe“ ausgestellt.

Angesichts Ihrer Liebe zur Mathematik glauben Sie nicht, dass Ihre künstlerische Vision als eine Umsetzung von Einsteins Relativitätstheorie interpretiert werden kann, in der die Energie in Masse und umgekehrt verwandelt wird, und in Ihrer Kunst, in der die Farbe in Form und umgekehrt umgewandelt wird?

Einstein brachte Energie und Materie in Zusammenhang und revolutionierte somit die Welt der Physik. Aber ich wage es nicht, mich diesem großen Genie zu nähern. Ich aber setze im Kleinen in einem Gegenspiel ins Verhältnis die Energie meiner Farben mit Form und Raum. Die chromatische Energie erweckt geometrische Formen zum Leben, die wiederum die Netzhaut des Betrachters mit einem chromatischen Kaleidoskop einfangen.

Werden Sie mehr in Italien oder im Ausland geschätzt und vor allem verstanden?

Zum Glück sowohl in Italien als auch im Ausland. In diesen letzten Jahren werde ich jedoch immer internationaler dank den Galerien Boccara Art in New York und Miami und Cris Contini Contemporary in London. Unter den europäischen Ländern war Deutschland bereits vor etwa dreißig Jahren das erste, das meine Kunst sehr gut aufnahm. Mir ist auch aufgefallen, dass die Deutschen nicht nur meine Bilder schätzen, sondern auch sehr sympatisch sind. Ich hatte sogar darüber nachgedacht, in Berlin oder Frankfurt zu leben. Die deutsche Sprache hat mich davon abgehalten, denn ich spreche sehr wenig Deutsch, was für mich schlimm ist, auch da mein Familienname deutsch ist…

Ihre Optical Art vermitteln Sie durch kinetische Gemälde und Plexiglass-Skulpturen - und eventuelle Installationen?

Ja, ich habe welche gemacht. Die wichtigste wurde im Jahre 1995 auf dem Platz der Insel des Lido von Venedig ausgestellt, wo die Filmfestspiele von Venedig stattfinden. Ich wurde zu Open eingeladen, der berühmten internationalen Ausstellung von Skulpturen im Freien. Dort stellte auch die berühmte Japanerin Yoko Ono aus. Ich platzierte eine Reproduktion des Dogenpalastes mit den Fassaden, die mit meinen geometrischen Figuren bemalt waren. Man konnte sie überqueren, indem man sie durchquerte: Sie wurde zum Lieblingsspiel der Kinder der Insel.

Wie wählen Sie die Farben aus, die Sie in Ihren Werken verwenden?

Das ist der angenehmste und anstrengendste Teil meiner Arbeit. Aus meinen Farben müssen Licht, Reflexionen und Emotionen hervorgehen, die Optimismus und Lebensfreude erzeugen sollen. Manchmal mische ich 2-3 Stunden lang Acrylfarben, bevor ich den Farbton finde, den ich mag. Meine Monographie habe ich mit Chromatic energies betitelt, weil mir viele Sammler gesagt haben, dass sie am Morgen, bevor sie das Haus verlassen, um zur Arbeit zu gehen, einige Minuten vor meinen Gemälden innehalten, um eine Ladung positiver Energie aus ihnen zu ziehen. Sie beginnen den Tag gut, sagen sie. Für mich es es sehr schön. Seit Jahrzehnten arbeite ich jedoch daran, eine neue Farbe zu kreieren. Ich bin nah dran!!!! Seit einigen Jahren male ich auch kinetische Bilder ausschließlich mit Schwarz, Weiß und verschiedenen Grautönen, weil für mich Schwarz und Weiß echte Farben sind.

Wie sehen Sie die Zukunft der abstrakten Kunst?

Sehr gut, unter besonderer Berücksichtigung der kinetischen Kunst, die auf internationaler Ebene wieder an der Spitze ist. Es ist eine Elitenkunst, aber glücklicherweise nehmen die Menschen mit Sensibilität und Kultur stark zu, auch unter den jungen Menschen, die sich nun mehr der Kunst gegenüber öffnen als es vor Jahren der Fall war. In der Welt ist es jedoch richtig, dass all die verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen erfolgreich sind.

Was rührt Sie am meisten?

Die Farben, natürlich. Und mit Farben meine ich vor allem die prächtigen der Natur, vom Meer bis zu den Bergen, von See, Wald, Wüste, Blumen, Schmetterlingen. An den Sommerabenden, wenn ich mein Atelier verlasse, lassen einen die Spielegungen des Sonnenuntergangs in der Lagune von Venedig, zwischen den Inseln, einfach atemlos. Und auch die abstrakten und kinetischen Maler lassen sich von den Farben der Natur inspierieren…

Bedauern Sie irgendwas?

Um einem mürrischen amerikanischen Touristen keinen Rabatt zu geben, der versuchte, zu viel vom Preis abzuziehen, habe ich ihm ein Gemälde nicht verkauft. Später erfuhr ich, dass er einer der größten Sammler der Welt war! Vielleicht wäre mein Leben als Künstler anders verlaufen. Aber ich bin dabei, wieder aufzuholen…