Im Rückblick auf zerstörte Kunst des vergangenen Jahrhunderts müssen wir uns doch freuen, dass einige Künstler ohne großen Schaden davon gekommen sind. Einer davon ist der russische Bildhauer, Nikolai Tomski, dessen Bewunderer, ich zähle mich dazu, in Wirklichkeit nur den Verlust einiger Kunstwerke (z.B das Lenindenkmal in Berlin, u.a.) hinnehmen müssen. Tomski wurde im Jahr 1900 in der Oblast Nowgorod geboren. Mit 23 Jahren begann er sein Studium an der Russischen Kunstakademie in St. Petersburg, die er als Bildhauer abschloss. Auch wenn viele Kritiker, meist politische Gegner, ihn als Propagandist der UdSSR abgestempelt haben, ist es nicht die Motivation dieser Kolumne seine politische Neigung zu beurteilen, sondern seine künstlerischen Fähigkeiten in der Bildhauerei und ausschlaggebende Präsenz in der Geschichte der 20 Jh.

In der offiziellen Liste seiner Werke sind dreißig große beeindruckende Werke verzeichnet. Ebenso schaffte er weitere in seiner früheren Zeit, in den 1930er Jahren, bei denen er nur etwas beitrug. Der Künstler arbeitete Tag und Nacht an jedem Projekt und seine Skulpturen waren in vielen Ländern der damaligen Sowjet Union zu sehen. Jedoch einige Werke wurden eingeschmolzen, versetzt oder vergraben. Im Jahr 1961 verschwand in einer Nacht und Nebel Aktion das Stalin Denkmal in Berlin. Die SED in der DDR wollte unter den Stalin-Kult einen Schlussstrich ziehen, denn sie waren der Meinung, es hätte folgenschwere Konsequenzen bringen können. Die Bronze Statue, aus Tomskis Hand, wurde in eine Halle abtransportiert und dort zerkleinert und später für Souvenirs eingeschmolzen. Allerdings war es ja nicht das einzige Werk von ihm, was der Vernichtung nicht entkam. Das Lenindenkmal in Berlin wurde, während der Wende, zerstückelt und vergraben; ich werde dem Fall einen Artikel widmen, denn trotz Protesten wurde das gigantische Denkmal, an einen unbekannten Ort, wahrscheinlich eine Deponie bei Berlin, weggeräumt und unterirdisch aufgehoben. Diese beiden verlorenen Werke sind schmerzhafte Beispiele für gezielt politische Entscheidungen, die der Kunst keinen Gefallen tun.

Nikolai Tomski musste diese Zustände nicht erleben, weil er fünf Jahre vor der Wende starb. Mit den politischen Änderungen des Jahres 1989 war ein großer Teil seiner Werke Vandalismus und Zerstörung ausgesetzt. Wiederum blieben die Meisten an den ursprünglichen Orten, wo sie eingeweiht wurden. Jedenfalls möchte ich an dieser Stelle zwei Werke benennen, die Dank ihrer hochkarätigen Kunstfertigkeit eine Pflichtstation in Moskau oder Sankt Petersburg sind.

Die Reliefs entlang des Deckenfußes, genau zwischen Balken und der gewölbter Decke, an den Bahnsteiggängen in der Moskauer Metro Station Novokuznetskaya entschlüsseln die Fähigkeit des Künstlers in so eine kurze Tiefe, zwei oder sogar drei verschiedene Schnittflächen darstellen zu können, ohne dass der Betrachter den Eindruck hat, das Bild sei überladen. Das Projekt wurde von vier Bildhauern verarbeitet, so dass Tomskis Beitrag nur ein Teil des Gesamten ist. Das Interessante daran weist auf den Bau der Station hin; 1938. Eröffnet wurde die Metro Station im Jahr 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, wobei das Thema des Reliefs die Rote Armee ist. Tomskis Figuren verkörpern Soldaten, Generäle und Offiziere, die mit Gewehren am Kämpfen sind. Die Besonderheit dieser Arbeit ist, dass der Stil der Figuren eine gewisse Einförmigkeit aufweist. Die Farbe, cremeweiß, kontrastiert perfekt mit der Wandverkleidung aus weißem Marmor mit rosafarbener Äderung.

Das zweite wichtige Werk, das auf der Liste unauffällig erscheint, ist seine Opera Prima namentlich das Denkmal für Sergei Kirov (1938) auf dem Kirovskaya Platz in St. Petersburg. Die Skulptur war sein erster offizieller Auftrag und ist ihm so meisterhaft gelungen, dass er sich dadurch für spätere Projekte behauptet hatte. Das Denkmal bzw. architektonisches Konzept entwarf er zusammen mit dem Architekten Noy Trotskiy. Sergei Kirov wurde vier Jahre zuvor in der Stadt ermordet. Da er eine Parteikarriere hinter sich hatte, wurde er nicht nur mit Denkmalen, sondern auch mit Benennungen von Schulen, Opern, Städten, Plätzen, Theatern und Betrieben in der UdSSR und Partnerländer u. a. die DDR, die Ukraine, Armenien und Kasachstan, geehrt und verewigt.

Nikolai Tomskis Darstellung von Sergei Kirov ist eine etwa 15 Meter große Statue in deklamatorischer Pose auf einem wuchtigen mit Friesen verzierten Granitsockel. Auf einer Tafel sind Zitate aus seinen Reden dargestellt. Der sozialistische Realismus spielt dabei eine große Rolle, denn Haltung, genauer Gesichtsausdruck und Kleidung lassen uns bis in die 1930er Jahren zurückreisen. Jedoch haben auch die Gebäude, die am Kirovskaya Platz stehen, ein natürliches Glamour und verleihen dem ganzen Raum eine Art Vintage-Effekt. An einem sonnigen Nachmittag, wenn die Farben des hinteren Hauses - der Unternehmerverein - in gelb und gold glänzen, widerspiegelt die Fassade die Schatten von Nikolai Tomskis Debütwerk, das eines Tages der Anfang seiner Karriere war. In einer baldigen Gelegenheit werde ich noch über besondere Details seiner Werke schreiben; Kuriositäten und unbekannte Informationen prägen die Recherche.