Im Jahr 1898 veröffentlichte der U.S. amerikanische Schriftsteller Morgan Robertson (1861-1915) einen Roman, der Jahre später als Vorhersage der Schiffskatastrophe (Titanic) vermarktet wurde. Robertsons eigentlicher Beruf war wie der seines Vaters Seemann. Bis zu seinem 16. Lebensjahr arbeitete er, wahrscheinlich zusammen mit seinem Vater, auf Schiffen. Danach erlernte er das Juwelierhandwerk und arbeitete in New York für längere Zeit in dieser Branche.

In dieser Zeit begann er jedoch, Kurzgeschichten und Romane zu schreiben, die vom Leben der Seeleute auf hoher See erzählten. Im Jahr 1898 veröffentlichte er den Roman „Futility“ (Scarce, Mansfield, 1898), zu Deutsch „Sinnlosigkeit“, dessen Kraft sich vierzehn Jahre später wie ein Wirbelsturm in vielen Ländern verbreitete. Der Roman handelt von einem unsinkbaren Schiff, das in seinen Ausmaßen und technischen Merkmalen, mit leichten Unterschieden, der Titanic ähnelt.

Der Autor ließ die Leser damals einen Blick in die Zukunft werfen, sein außergewöhnliches Gespür für den Schiffbau führt uns in eine für die damalige Kreuzfahrt (Handelsschifffahrt) undenkbare Situation, nämlich Rettungsboote nur für die Hälfte der Passagiere an Bord zu haben.

Diese Angabe erfordert nicht nur die Vorstellung einer solchen Möglichkeit, sondern auch die genaue Kenntnis der tatsächlichen Maße und Gewichte eines Schiffes, die in der Handlung der Geschichte mehr oder weniger eine Rolle spielen. Aber Robertson wusste es, denn als Seemann war er damit konfrontiert.

Außerdem kündigte die englische Reederei „White Star Line“, die den Linienverkehr zwischen Liverpool und New York/Boston betrieb, ihre Neubauprojekte mit detaillierten technischen und kapazitätsmäßigen Angaben an. Europäische Reedereien bauten größere Schiffe, um den steigenden Bedarf an Passagieren und Fracht zu decken, da der Linienverkehr immer größere Mengen transportierte und mehrere Häfen anlaufen musste. Robertson ließ sich all diese Informationen, die teilweise als Werbung dienten, nicht entgehen.

Er übernahm sie für sein literarisches Projekt, sein Schiff namens „Titan“, und obwohl es Parallelen und Unterschiede gibt, ist es bewundernswert, dass beide Reisen im April stattfanden. Allerdings hatten sie unterschiedliche Richtungen: Die Titanic fuhr von Southampton nach New York, während die Titan von New York nach Liverpool ablegte. In beiden Fällen war der Grund für die Versenkung der Frontalzusammenstoß mit einem Eisberg.

Dieser Zufall erinnert an die Figur Richard Parker von Edgar Allan Poe (1809-1849). Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass der Autor zur Zeit der Tragödie (1884) bereits verstorben war. Was geht jedoch in einem Schriftsteller vor, wenn er mit vollem Bewusstsein erlebt, dass ein fiktives Ereignis, das er niedergeschrieben hat, sich in der Realität manifestiert und eines Tages alle Schlagzeilen der Tageszeitungen erreicht? Wie überrascht war Morgan Robertson von der Nachricht? War er schockiert oder erfreut, dass seine Geschichte nun als Prophezeiung gilt? Leider gibt es keine Dokumentationen oder Interviews mit dem Autor, die uns Einblick in seine Welt geben könnten.

Der Autor hat sich existentiell mit der Titanic-Katastrophe auseinandergesetzt und veröffentlichte zwei Jahre nach dem Unglück, 1914, das Buch "The Grain Ship" („Der Massengutfrachter“), welches das Leben der Seeleute beschreibt. Im Buch behandelt er die Thematik in Form von Kurzgeschichten. Im Jahr 1914 veröffentlichte er auch "Over the border" ("Über die Grenzen"), in dem er mit Mesmerismus und Hypnotismus experimentierte. Diese Heilungsmethoden waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich und in der Literatur präsent. Die Seele des Romanciers wurde von einer besonderen Kraft motiviert, denn im gleichen Jahr publizierte er zwei Kurzgeschichtenbände.

Während des Schreibprozesses erlebt ein Autor nichts anderes als einen Gedankensturm im Kopf. Er ordnet jeden Gedanken in seinem Projekt ein. Auch Morgan Robertson musste sich mit der Frage des Gebens und Nehmens eines Textes auseinandersetzen. Ein Kunstschreiber strebt danach, seine beste Arbeit zu leisten, um Leser zu gewinnen.

Seine Ideen blieben unbeeinflusst, sein unvollendetes Projekt blieb im Dunkeln und seine literarischen Pläne blieben geheimnisvoll in der tiefsten Ecke seines Herzens. Robertson konnte den Roman nur schreiben, indem er frei von Einflüssen blieb, sich auf seinen Ursprung beschränkte und Eigenständigkeit bewahrte.

Gemäß diesen Grundsätzen entstand Robertsons meistgelesenes Werk, 1898, bei dem er die Hoffnung hatte, davon als Schriftsteller leben zu können. Im gleichen Jahr der Titanic-Katatrophe, vierzehn Jahre danach, 1912, veröffentlichte der Verlag McKinley, Stone & Mackenzie aus New York eine Neuausgabe des Romans unter dem Titel: „Futility; the Wreck of the Titan“, zu Deutsch „Sinnlosigkeit; der Schiffbruch der Titan“. Die Auflage der neuen Ausgabe war sicherlich höher als die der ersten. Dem Verlag wurde vorgeworfen, den ursprünglichen Inhalt des Manuskripts geändert zu haben. Auch wenn Experten und Kritiker Robertson für einen Hellseher halten, so hatte er aufgrund seines Fachwissens einfach nur die Vorahnung, dass so etwas, eine Kollision mit einem Eisberg, auch das teuerste, größte und mächtigste Schiff aller Zeiten treffen könnte.